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26.05.2001

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Willkommener Absturz?

In Berlin ist eine Beech beim Anflug auf Tempelhof offenbar nach Triebwerksproblemen gegen die Wand eines Wohnhauses gecrashed. Das ist schlimm, und wir wollten über so etwas ja nicht mehr berichten, bevor nicht Unglücksursache und damit verbundene Erkenntnisse feststehen, was ja erfahrungsgemäß einige Monate dauert.

Und das soll hier auch gar nicht das Thema sein.

Dass nach solchen Unfällen regelmäßig die Schließung stadtnaher oder gar innerstädtischer Flughäfen gefordert wird, verwundert nicht, wenngleich bei den Argumentationen ebenso regelmäßig die Logik zugunsten des Populistischen auf der Strecke bleibt. Das war bereits vor einigen Jahren in Hamburg so, als eine von einem Berufspiloten und Flugingenieur, der alles, was man sich vorstellen kann, falsch gemacht hatte, gesteuerte Maschine der India-Klasse in den Garten eines Wohnhauses stürzte. Und das ist jetzt in Berlin auch wieder so.

Was hier aber von flugs mit hochgezogenen Brauen zu Stellungnahmen bereiten zweitklassigen Politikern geäußert wird, wird dem Status Berlins als Hauptstadt nur zu gerecht. Nämlich alles zu toppen, was zu toppen geht.

Im Bericht der Berliner Zeitung vom 25. Mai (vollständiger Artikel hier) heißt es unter anderem (Zitate):

"Offenbar haben Amateurflieger größere Schwierigkeiten, ordentlich zu landen, als professionelle Piloten". (Verkehrssenator Strieder)

Und: "Gerade bei innerstädtischen Flughäfen muss darauf geachtet werden, dass nur höherklassige Flugzeuge dort landen dürfen." (Siegfried Niedek, Meteorologe und Flugunfall-Statistiker)

Und: "Einmotorige Flugzeuge sind eine Gefahr in dichtbesiedelten Gebieten - auch wenn sie nur darüber hinwegfliegen. In der Stadt haben sie keine Chance zur Notlandung." (Siegfried Niedek)

Wir alle haben in diesem Zusammenhang auf die Aussagen eines Meteorologen und Flugunfall-Statistiker (was immer das auch ist) gewartet! Endlich sagt mal jemand, der sich damit auskennt, was gesagt werden muss...!

Also muss Tempelhof so schnell wie möglich geschlossen werden! Jutta Matuschek, verkehrspolitische Sprecherin der PDS bringt es auf den Punkt: "Die Sicherheit der Anwohner verbietet den Weiterbetrieb." Erst ein Zusatz von Michael Cramer (Grüne) bringt, mehr en passant, das wohl wichtigere Argument ins Spiel: "Zudem müsste dann das jährliche Defizit von 20 Millionen Mark, das der Airport erwirtschafte, vom Steuerzahler nicht mehr ausgeglichen werden."

Wie praktisch! Eine schöne und vor allem auch aufsehenerregende Sache, so ein Flugzeugabsturz, kriegt man damit doch viel leichter den teuren Flughafen geschlossen!

In dem gazen Artikel findet sich nicht ein Satz über die Tragik dieses Vorfalls, bei dem zwei Menschen, nämlich die Flugzeuginsassen, nicht etwa Anwohner, umgekommen sind.

Aber in diesem und anderen Berichten findet sich ebensoweinig ein Satz darüber, dass auch die anderen Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld innerstädtisch sind, wenn auch nicht unbedingt bis an den Rand der Flughafengelände bebaut.

Was heißt eigentlich grundsätzlich die Forderung, Flughäfen nur in Randgebieten von Städten oder gar 'auf dem platten Land' zuzulassen und/oder Kleinflugzeuge auf solchen Flughäfen nicht mehr zu dulden?

Sie heißt, dass

erstens die Sicherheit der Menschen dort weniger Wert ist, als in der Stadt! Oder, dass das eine Quantitätsfrage ist: Dort kommen im Falle eines Falles weniger Menschen um. Selber schuld, wer dort wohnt und sich damit in Gefahr begibt, ganz im Gegensatz zur Stadt...

Und sie heißt zweitens, dass Flugunfälle bei Start und Landung nur in unmittelbarer Nähe der Landebahnen passieren. Ob das so stehen bleiben kann, erscheint fraglich: Ein Bisschen ungünstigerer Wind, und der Hapag-Lloyd-Airbus wäre in Wien in die Stadt gecrashed. Ein Airliner, der nach dem Start ernsthafte Probleme hat, fällt bekanntermaßen nicht wie ein Stein an Ort und Stelle vom Himmel, sondern legt unter Umständen noch ein gutes Stück Weg zurück, bevor es zur Katastrophe kommt, man nehme das traurige Beispiel des Concorde-Crashes von Paris. Dieses Flugzeug stürzte 'auf dem platten Land' ab, und die schrecklichen Folgen sind bekannt. Angenommen, der Start wäre eben auf einem Flughafen in der menschenärmeren Randregion von Paris erfolgt, wer will ernsthaft behaupten wollen, dass der Crash dann nicht gerade über der City passiert wäre...? Der schreckliche Unfall eines Cargo-Jumbos seinerzeit in ein Wohn-Hochhausgebiet bei Amsterdam, hatte der die Schließung Schiphols zur Folge? Nein.

Und sie heißt drittens, dass offenbar davon ausgegangen wird, dass Kleinflugzeuge bei einem Crash größeren Schaden anrichten, als Airliner. Aber selbst die (leider) beinahe doppelt so hohe Unfall-Rate (und das sind nicht nur Crashes!) der Gewichtsklasse bis zwei Tonnen gegenüber den größeren Flugzeugen bedeutet längst nicht notwendigerweise ein höheres Gefahrenpotential! Das sollte ein 'Flugunfall-Statistiker' wie Herr Niedek eigentlich wissen, betreibt er seine Profession (ist das überhaupt eine?) gewissenhaft.

Unter diesen Gesichtspunkten bekommt die zitierte Forderung schon eine etwas andere Bedeutung. Allerdings eine, die nicht so gut ins wirtschaftliche Kalkül passt und vor allem nicht so viel eifriges Nicken bei der Masse hervorruft und wertvolle Wählerstimmen bringen kann. Wertvoll aus quantitativen Gesichtspunkten, weniger aus qualitativen, aber das spielt bei Wahlen ja keine Rolle...

Und wie äußert sich nun die GA in Deutschland hierzu? Erstmal gar nicht. Und dann sondert ein Sprecher der AOPA Deutschland in einem Kommentar ab: "Damals, als der Flugplatz gebaut wurde, war das alles noch grüne Wiese. Heute würde sowas nicht mehr genehmigt werden..." Damit hat er zwar sicher recht, verstärkt jedoch den Eindruck der besonderen Gefährdung eines innerstädtischen Flughafens und redet damit (ich unterstelle mal: unbewusst) den Populisten das Wort. Dies ist so ungeschickt, wie sich leider die deutsche AOPA in der Vergangenheit immer wieder dargestellt hat, daran hat auch die Auswechselung des Geschäftsführers unlängst nichts geändert.

Ist das eigentlich typisch deutsch? Müssen wir eigentlich hierzulande immer alles 'verschlimmbessern'? Alles reglementieren und die Reglementierungen durch weitere Verordnungen regulieren, bis letztendlich alles blockiert ist? Besonders in der Luftfahrt scheint das so. Man höre nur das Jammern und Wehklagen deutscher Bürokraten, dass im Rahmen der Europäisierung so viele schöne nationale 'Regelungen' im Luftverkehr entfallen! Und dass damit so mancher bequeme Dienstposten überflüssig werden wird...

Ich hatte bereits ein viel fröhlicheres Editorial fertig. Aber vor dem Hintergrund des erwähnten Artikels der Berliner Zeitung konnte ich einfach nicht 'zur Tagesordnung übergehen'. Vielleicht ein Thema zur Diskussion im Forum!

Das angenehmere Editorial muss halt bis nächste Woche warten...

Herzliche Grüße,
euer



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