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Die Gast-Kolumne von eddh.de-Lesern

Vom Kiebitz

Von Friedhelm Stille (24.07.2005)

Genau zwei Wochen nach den verheerenden Anschlägen auf die Londoner U-Bahn versuchten es Selbstmordattentäter am vergangenen Donnerstag erneut, Terror in die britische Metropole zu bringen und in der U-Bahn Bomben zu zünden, versteckt in Rucksäcken. Allein ein Defekt, ein glücklicher Zufall war es, der nur die Zünder hochgehen ließ und nicht mehr. Die Terroristen überlebten und ergriffen die Flucht.

Tags drauf, in der Nacht vom Freitag zum Samstag, gingen in Ägypten, in Scharm el Scheich, einem Touristendomizil, verschiedene Bomben hoch, versteckt in einem Koffer und in Form von Autobomben. Einer der Terroristen fuhr seine im Wagen mitgeführte tödliche Fracht in eine Hotelhalle und jagte sich mitsamt den Bomben in die Luft.

Zeiten des weltweiten Terrors. Und die Stimmen der Volksvertreter. Man verurteile diese feigen Taten auf schärfste und werde die Verbrecher aufspüren. Bekannte Sprüche, stereotype Floskeln. Aber vielleicht das einzige, was ihnen zu tun übrig bleibt. Vielleicht werden die Behörden einiger der Drahtzieher habhaft, die Attentäter selbst haben sich durch die Anschläge einer Verfolgung entzogen.

London, Scharm el Scheich. Terror, Anschläge, Tote, Opfer. Deutsche Orte stehen bisher auf keiner Liste, keiner Meldung. Wirklich nicht? Da stürzt doch am Freitag Abend ein einmotoriges Flugzeug, ein Doppeldecker vom Typ Kiebitz auf die Rasenfläche am Berliner Reichstag, und schon gibt es sie wieder, die Debatte um mögliche Terroranschläge mit Kleinflugzeugen und dem Sicherheitsrisiko sogennannter Privatflieger.

Den Medien zu Folge wurde ein Terrorakt im Zusammenhang mit dem Absturz des Doppeldeckers ausgeschlossen. Es fand sich kein Sprengstoff, kein Uran, kein Biogift. Vielleicht ein Selbstmord, wird spekuliert. Nun, die Untersuchungen laufen ja noch, und was auch immer zu diesem Absturz geführt haben mag, ob technischer Defekt, die Absicht zum Selbstmord oder vielleicht doch eine beabsichtigte terroristische Aktion, ist im Grunde völlig egal, wenn es um die öffentliche Meinung oder vielleicht das, was quotengeile Medien und um Aufmerksamkeit heischende Politiker daraus machen wollen, geht.

Dieser Kiebitz mit seinen maximal vierhundert (400!) Kilogramm Abfluggewicht, also alles inklusive Besatzung und Kraftstoff, taugt nicht viel als potenzielle Waffe. Und selbst bei mitgeführtem Sprengstoff ist eine potenzielle Gefahr relativ:

Polizei-Vize Neudeck schätzt, dass man mit einem Ultraleichtflugzeug höchstens 40 oder 50 Kilo Sprengstoff transportieren könnte. Diese Menge hätte nicht ausgereicht, um eines der umstehenden Regierungsgebäude zum Einsturz zu bringen, so Stern-Online.

Dennoch hallen wieder die bekannten Sprüche durchs Land. Beckstein, Rechts-Außen der Bayern, fordert ganzjährig Überflugverbote. Dass Berlin allein drei internationale Flughäfen besitzt, zugelassen für Jets bis zu mehreren hundert Tonnen Abfluggewicht, scheint er zu vergessen oder zu ignorieren. Nicht so Senator Körting, der scheint noch differenzieren zu können oder zu wollen:

... "Absolute Sicherheit" gebe es nur, wenn man im Umkreis von 100 oder 200 Kilometern um Berlin eine Flugverbotszone einrichtet. Wenn ein Pilot über dem Stadtgebiet sei, könne man ihn nicht mehr aufhalten. Ein solches Flugverbot würde zudem eine Schließung aller Berliner Flughäfen und zahlreicher Landeplätze in Brandenburg nach sich ziehen...

Wieder andere meinen, es reiche, den Berliner Luftraum für Privatflieger zu sperren, freilich, ohne genauer zu definieren, was darunter denn zu verstehen sei. Ist das ein Pilot, der nach Sichtflugregeln unterwegs ist, d.h. zur Vermeidung von Kollisionen und gefährlichen Annäherungen an andere Flugzeuge auf eine ausreichende Flugsicht, d.h. mindestens acht Kilomoter, angewiesen ist statt auf die Radar-Staffelung der Flugsicherung vertraut? Oder ist das jemand, der, egal ob mit oder ohne Kontrolle der Flugsicherung, im eigenen Flugzeug, gleich welcher Bauart, unterwegs ist? Soll der Luftraum nur noch offen bleiben für die die Verkehrsluftfahrt, für die kommerziellen Linien- und Charterflieger mit ihren mehrstraligen Jets und mehreren hundert Tonnen Abfluggewicht? Erinnern wir uns: War es nicht gerade Luftverkehr dieser Kategorie, der am 11. September 2001 gleich mehrfach als Terrorwaffe eingesetzt wurde, mit wirklich schrecklichen Folgen?

Es mag sein, daß die Verkehrsluftfahrt sicherer geworden ist und eine Wiederholung solcher Ereignisse ausgeschlossen werden kann. Ich persönlich habe da meine Zweifel. Aber was ist mit Bomben in U-Bahnen, in Autos, Rucksäcken oder Fahrrädern? Wenn die Allgemeine Luftfahrt, also jedwede nicht zur Verkerhrsluftfahrt gehörende Flugbewegung als terroristische Bedrohung gilt, nur weil Sprengstoff, nur weil Bomben mit ihr transportiert werden könnten, so gilt dies eben auch für andere Verkehrsträger. Also den privaten Autoverkehr verbieten? Jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland wäre gefährdet, Steuerausfälle in Milliardenhöhe vorprogrammiert - wer kein Auto besitzt, der tankt auch nicht.

Sicherheitskontrollen für öffentliche Verkehrsmittel wie an Flughäfen - der Verkehr in den Städten bräche zusammen. Die Hälfte aller Flugbewegungen in Deutschland wird durch die Allgemeine Luftfahrt erbracht, allein siebzig Mllionen Euro an Flugbenzinsteuer jährlich fließen durch die nicht-gewerbliche Nutzung von Flugzeugen (Privatflieger?) in die Bundeskasse. Es mag einfach sein, vielleicht auch verlockend, in Zeiten politischer Hilflosigkeit und aufgelöster Bundestage Ersatzfronten aufzubauen und Stellvertreter-Kriege zu führen. Wirklich bekämpft wird dadurch der Terror nicht noch die öffentliche Sicherheit erhöht, allenfalls wieder ein paar Freiheitrechte mehr beschnitten, wieder ein bischen Geschäftstätigkeit zerstört, wieder ein paar Arbeitslose mehr generiert, wieder ein bischen Mehr an Steuerausfall hingenommen. Dabei heißt es im Flughafenkonzept der Bundesrepublik Deutschland, Kapitel 4.2.3:

[...] die Allgemeine Luftfahrt [habe] in vielfältiger Art bedeutenden Anteil am deutschen und europäischen Luftfahrtsystem...

Dessen ungeachtet haben diese Herren Volksvertreter sich laut der Zeit auf ein Überflugverbot für eben jene privaten Flüge geeinigt. Leider ist der vermeintlich gut orientierten Presse keine Details zu entnehmen, vielleicht existieren diese auch (noch) nicht.

Die Bevölkerung gelte es zu zu schützen, hieß es eben in den Nachrichten, und auch potenzielle Sachschäden als Folge solcher Abstürze seien zu bedenken.

Da darf man gespannt sein, inwieweit hier mal wieder konsequent zu Ende gedacht wurde: Sind nun auch die drei Berliner Flughäfen für An- und Abflüge für diese Art Flugverkehr gesperrt? Schließlich ist mit einer Landung immer auch eine kontrollierte Annäherung an den Boden verbunden, und wer weiß was diesen Privatfliegern da an Gedanken kommen mögen. Wie gedenkt unsere Administration, Verstöße zu ahnden bzw. zu verhindern? Mit Abschuß? Luftkampf über Berlin? Da drängt sich dann doch gleich die Frage nach der größeren Gefährdung der angeblich zu schützenden Bevölkerung auf.

Effektiv, d.h. ohne Gefährdung Dritter, wird sich ein Verstoß gegen dieses Überflugverbot ohnehin nicht realisieren lassen. Terroristen oder gar Selbstmordattentäter kalkulieren ihren Tod mit ein; und Selbstmörder wird die Drohung eines Abschusses, so er überhaupt rechtzeitig erfolgen kann, auch nicht weiter schrecken. Und überhaupt: Da gibt es noch die vielen Straßen mit ihren Autos und den öffentlichen Verkehr, ohnehin nicht zu überwachen.

Gegen eine Dramatisierung des Absturzes sprach sich auch der Kommandeur der Nato-Luftverteidigungszentrale in Kalkar, Hans-Joachim Schubert aus. Die zerstörerische Wirkung von Leichtflugzeugen sei nicht zu vergleichen mit der großer Verkehrsmaschinen, sagte er in der Welt am Sonntag. Wie wahr, aber genützt hat diese Fachkenntnis nur wenig und muß wohl an den Herren Stolpe und Co vorbei gezogen sein.

Die Gefahr durch Terror oder durchgedrehte Dumpfbacken bleibt, für Berlin und anderswo. Nur wieder ist ein bischen mehr weg von dem, was wir Freiheit nennen, dieses hohe Gut, das es doch zu schützen gilt. Vielleicht musste es so kommen. Auch der Kiebitz ist schließlich in seinem Bestand gefährdet.

Friedhelm Stille

www.stalle.de



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